Am 29. Mai 1874 gab das Direktorium der Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahn bekannt:
„Am 1. Juni wird die Wannenseebahn dem Betriebe übergeben und folgender Fahrplan eingeführt: 1. Von Berlin nach Station Schlachtensee und Wannensee …“
Zu dieser Zeit gab es keinen Ort Schlachtensee. Die einzigen Häuser in der Gegend lagen am See: das Gasthaus Alte Fischerhütte nahe der Krummen Lanke, das Fischerhäuschen unten am See nicht weit vom Marinesteig, wo man heute Ruderboote mieten kann, und das heute nicht mehr bestehende Ausflugslokal Neue Fischerhütte am See ganz in der Nähe des Fischerhäuschens. Sonst dehnte sich hier die Zehlendorfer Heide aus, ein lichtes Waldgebiet, in dem die Zehlendorfer Bauern ihr Vieh weideten. Gleich östlich davon begann der Seeschlag, das Zehlendorfer Ackerland.
Die Besucher der Ausflugslokale am Schlachtensee kamen mit der Stammbahn von Berlin nach Schlachtensee - seit 1838 verkehrte sie als erste Eisenbahn in Preußen zwischen Potsdam und Berlin. Von der Station Zehlendorf mussten die Menschen zum Schlachtensee wandern. Dies änderte sich, als weitsichtige Unternehmer - darunter der Besitzer des Ritterguts Düppel, Prinz Friedrich Karl, und der Gründer der Villenkolonie Wannsee, Wilhelm Conrad - daran gingen, durch den Bau einer neuen Eisenbahn eine verkehrsmäßige Anbindung dieser Gegend an Berlin zu schaffen. Die neue Strecke entstand als Abzweigung von der Stammbahn zwischen Zehlendorf über Schlachtensee und Wannsee und führte kurz vor der Station Griebnitzsee wieder zur Stammbahn. Die schnelle Verbindung mit Berlin machte das Gebiet attraktiv für den Bau neuer Villenkolonien. Schon in den achtziger Jahren wurden die ersten Häuser im Bereich Friedrich-Wilhelm-Straße (Ahrenshooper Zeile), Eitel-Fritz- und Adalbertstraße (Bergenguenstraße) errichtet.
Wenn wir uns vorstellen wollen, wie der Bahnhof Schlachtensee bei seiner Eröffnung am 1. Juni 1874 aussah, müssen wir uns den jetzigen Bahnhof wegdenken. Es gab nur das Empfangsgebäude, den noch heute repräsentativen orangegelben Ziegelbau Altvaterstraße 1. Er lag ebenerdig neben dem Seitenbahnsteig der Alten Wannseebahn. In dem zweigeschossigen Bauteil befand sich der Warteraum 1. Klasse, die Fahrkartenausgabe, darüber lagen Beamtenwohnungen. In dem niedrigeren Hallenanbau waren die Warteräume III. und IV. Klasse sowie Räume für Gepäck und Stückgut. Der Turm - ein Belvedere - besaß damals ein weiteres Geschoss mit offenen Rundbogen, wie man es auf der Postkarte von 1910 sehen kann.
Anfangs verkehrten täglich nur neun Züge über Schlachtensee in jeder Richtung zwischen Berlin und Wannsee; aber schon bald wurde der Zugtakt enger. Das führte zu Problemen an den Kreuzungen der zwischenzeitlich erbauten Straßen mit den ebenerdig liegenden Gleisen. Deshalb wurden bereits 1889-91 die Gleise auf einen Damm verlegt und ein Mittelbahnsteig errichtet. Das geschah in Zusammenhang mit dem Bau der „Neuen Wannseebahn“, die zweigleisig zwischen Berlin und Zehlendorf als separate Vorortbahn neben den Gleisen der bisherigen Bahnstrecke hergestellt und mit der „Alten Wannseebahn" verbunden wurde. Von der damaligen Ausstattung des Bahnhofs sind jetzt nur noch die gusseisernen Stützenreihen der Überdachung vorhanden. Zwei weitere Überbleibsel zwischen Bahnhof und Empfangsgebäude erinnern noch an frühere Zeiten: das Stellwerk und der Wasserkran; beide haben schon lange ihre Funktion verloren, ebenso wie das Empfangsgebäude, das alte Schlachtenseer noch als beliebte Gaststätte in Erinnerung haben.
Der Bahnsteig war nun sowohl von der See- wie von der Ortsseite zugänglich. Außerdem entstand südöstlich vom Bahnsteig ein Güterbahnhof, der bis 1970 in Betrieb war. Von ihm ist ein einziges Gebäude übriggeblieben: das jetzige Bistro Bernsteiner's an der nördlichen Seite des Einkaufzentrums Breisgauer Straße. An den Güterbahnhof schloss sich ein Gewerbegebiet mit der Lokomotivfabrik Orenstein & Koppel an. Hier wurden nur knapp 10 Jahre Lokomotiven produziert. Dann musste die Fabrik der wachsenden Wohnbebauung weichen.
Einen Eindruck von der Besiedlung geben die Einwohnerzahlen der damaligen Zeit: 1892 lebten in Zehlendorf 4.088, in Schlachtensee 300 und in Wannsee 443 Menschen. Aber es wurde kräftig gebaut und die Einwohnerzahlen stiegen schnell.
1903 wurden die sogenannten Bankierzüge eingeführt. Sie brachten die wohlhabenden Bewohner aus den Vororten schnell in die Innenstadt, denn sie hielten nur an den Bahnhöfen der Wannseebahn und fuhren von Zehlendorf ohne Halt bis zum Potsdamer Bahnhof. Die „Bankierzüge“ verkehrten morgens alle 20 Minuten und tagsüber stündlich.
1933 wurde die Wannseebahn auf elektrischen Betrieb umgestellt. Damit verringerte sich die Fahrzeit zwischen Zehlendorf und Potsdamer Platz von 36 auf 29 Minuten, die Fahrzeit der Bankierzüge von 15 auf elf Minuten.
Den 2. Weltkrieg überstand der S-Bahnhof ohne nennenswerte Zerstörungen. Bereits am 6. Juni 1945 konnte wieder ein Zug zwischen Wannsee und Schöneberg fahren; relativ schnell verkehrte die Bahn wieder regelmäßig. Das änderte sich mit dem 13. August 1961, als die Berliner als Reaktion auf den Mauerbau die von der im Osten ansässigen Deutschen Reichsbahn betriebene S-Bahn boykottierten. 1980 wurde der Verkehr ganz eingestellt. Erst 1985 konnte die S-Bahn wieder fahren, nachdem die BVG den Betrieb von der Reichsbahn übernommen hatte.
Seitdem wird der Bahnhof Schlachtensee wieder viel benutzt, von den hiesigen Einwohnern und von Menschen aus der Stadt, die das ganze Jahr über zum See strömen - besonders im Sommer zu der berühmten Wiese am Schlachtensee.
Gisela Krehnke
Eine gekürzte Fassung dieses Artikels ist erschienen in unserem