Ein Amerikaner in Schlachtensee

Pastor Donald McCord wird am 26. August 2016 achtzig Jahre alt. Wir wünschen ihm Glück und Gottes Segen. Die Redaktion möchte ihn den Menschen in Schlachtensee, die Don nicht mehr persönlich kennengelernt haben, als wichtige Persönlichkeit aus dem Leben unserer Gemeinde vorstellen. Er hat zweimal mit seiner Familie für längere Zeit in Schlachtensee gelebt und gearbeitet. In dieser Zeit sind vielfältige Impulse von ihm ausgegangen. Nach seiner Rückkehr in die USA hat er mit seiner Frau Ann zahllose Gäste aus Schlachtensee empfangen und beherbergt.

Portät Donald McCordDonald McCord

Über ein ökumenisches „fraternal-worker”-Programm kam der junge amerikanische Pastor Donald McCord mit seiner Frau Ann 1961 in unsere Gemeinde. Für zwei Jahre hatte er die Gelegenheit bekommen, die Berliner und die deutsche Kirche kennen zu lernen. Kurz vor seiner Abreise war er in seiner Kirche - Disciples of Christ - zum Pfarrer ordiniert worden.

Sie bezogen eine kleine Wohnung im damaligen Pfarrhaus (heute Gemeinde-Zentrum) und lebten sich schnell in der Gemeinde ein. Die amtierenden Pfarrer - Hellmuth Linke und Manfred Karnetzki - begleiteten den jungen amerikanischen Kollegen auf seinen Wegen in unsere Kirche. In der Gemeinde wurde Don McCord bald ein beliebter Mitarbeiter - nicht nur in der Jugendarbeit und im Flüchtlingslager Düppel. Auch seine Frau knüpfte schnell Kontakte in Schlachtensee. Im Herbst 1962 wurde ihr Sohn Paul geboren.

Nach einem Gottesdienst, den ein tschechischer Pastor aus Prag in Schlachtensee gehalten hatte, entstanden erste Kontakte zur Kirche der Böhmischen Brüder. Er lud in seine Kirche ein. Pastor McCord wurde zum Türöffner für eine erste Schlachtenseer Jugendgruppe, die sich auf den Weg nach Prag machen konnte. Er knüpfte wichtige ökumenische Kontakte, besuchte die theologische Fakultät mit ihren Professoren und Studenten und Pfarrer in verschiedenen Gemeinden.

Gut organisiert und gut vorbereitet erlebte die Schlachtenseer Jugendgruppe bei ihrem ersten Besuch in der CSSR beeindruckende Gastfreundschaft, fremde, aber schöne Gottesdienste und viele interessante Diskussionen. Und die Leiter der Gruppe, die Pfarrer McCord und Karnetzki, wurden an den Sonntagen zum Predigen in Prager Kirchen eingeladen.

Aus den vielen Begegnungen dieser Tage entwickelten sich weitere Besuche, weitere Kontakte, Freundschaften, die über Jahrzehnte in die Gemeinde hinein wirkten.

Als die McCords nach reichlich zwei Jahren wieder nach Hause fuhren, hatten sich viele Beziehungen zu und mit ihnen entwickelt. In den USA arbeitete Pastor McCord in verschiedenen Gemeinden und engagierte sich vor allem in der Bürgerrechts- und in der Friedensbewegung. Und mit vielen seiner Gemeindeglieder besuchte er Schlachtensee, viele Schlachtenseer wurden Gast in seinen heimatlichen Gemeinden.

Noch einmal kam er Anfang der siebziger Jahre für zwei Jahre mit seiner Familie nach Berlin und wurde wieder ein wichtiger Mitarbeiter; seine Frau arbeitete als Gemeindeschwester und besuchte viele Kranke. So wuchsen die Kontakte und Freunschaften immer enger. Heute blicken wir auf fünfundfünfzig Jahre gelebter Gemeinde- und Familienfreundschaft dankbar zurück.

Inge Karnetzki

Als Don McCord mit einem Glockenchor seiner Gemeinde 1987 Schlachtensee besuchte, lud er zu einem Gegenbesuch ein. So machten sich 12 Menschen aus unserer Gemeinde 1988 auf nach Amerika, nach Oak Park, einem Vorort von Chicago, zu der Gemeinde der McCords.

Es war ein heißer Sommer. Wir wurden jeweils zu zweit in der Gemeinde untergebracht und bestens versorgt. Mein Mann und ich, wir schliefen im Elternschlafzimmer der Familie McCord, die solange in den Keller zog. Am Sonntag staunten wir, dass die Organisation des Gottesdienstes in der Hand von Gemeindegliedern lag und der Pfarrer „nur” die Predigt zu halten brauchte.

Don organisierte einen „Social Day” für uns. Geführt von einem Sozialarbeiter sprachen wir mit einer Rechtsanwältin, besuchten ein Jugendgefängnis und nahmen an einer Gerichtssitzung teil. Es war Don wichtig, dass wir uns nicht nur die Sehenswürdigkeiten der Stadt ansahen, sondern auch einen Eindruck von den sozialen Gegebenheiten in Chicago bekamen.

Abends sprachen wir über unsere Erfahrungen in den USA, Don und Ann berichteten von ihren Erinnerungen an Schlachtensee und gemeinsam machten wir Pläne für ein gemeinsames neues Projekt: die Friedensbrücke Chicago - Berlin - Wolgograd!

Gisela Krehnke

Im September 1989 wurde die Friedensbrücke dann Wirklichkeit. Der erste Bogen spannte sich zunächst von Chicago nach (damals gerade noch) West-Berlin. Don und Ann McCord kamen - begleitet von ihrem Sohn Paul - mit einer Gruppe von Gemeindemitgliedern aus Chicago zu uns nach Schlachtensee. Zur Vorbereitung auf das, was sie in der UdSSR erwarten würde, erhielt die Gruppe in der Evangelischen Akademie Informationen zur Geschichte und zur aktuellen Situation der Ost-West-Beziehungen.

Danach konnte der zweite Bogen der Friedensbrücke gespannt werden. Gemeinsam mit einer 5-köpfigen Schlachtenseer Begleitgruppe ging es weiter nach Moskau. Schon auf dem Flughafen lernten wir bei den strengen Einreisekontrollen die Allgegenwart des Staates kennen, aber die mitgeführten russischen Bibeln durften eingeführt werden. Sofort wurde uns auch eine strenge und linientreue Reiseführerin zugeteilt, die uns bei der nun beginnenden Reise in die drei Heldenstädte der Sowjetunion - Moskau, Wolgograd und Leningrad - kühl und sachkundig, aber stets auch hilfreich begleiten und das uns fremde Land erklären sollte. War es nun der offene und herzliche Umgang mit ihr oder auch die intensiven Gespräche, die Don und andere mit ihr führten, Marina wurde während unserer gemeinsamen Zeit völlig umgewandelt, und beim Abschiedsabend in Leningrad hatten Marina (und auch manche von uns!) Tränen in den Augen, denn sie nahm Abschied von Freunden.

Mit der Allgegenwart des Staates musste Paul McCord in Moskau nähere Bekanntschaft machen. Er hatte dort einen jungen Russen kennengelernt und sich mit ihm in unserem Hotel verabredet. Prompt wurde er vom KGB vorübergehend in dessen Räume im Keller des Hotels geführt und konnte erst nach eingehenden „Befragungen” zu seinen natürlich besorgten Eltern zurückkehren.

Das stärkste Fundament der Friedensbrücke bildete sich in Wolgograd in den Begegnungen mit den Partnern aus der Beziehung zu Zehlendorf heraus. Wir machten gemeinsame wunderschöne Ausflüge, wurden von der Kirche und dem Rat der Stadt empfangen und liebevoll in die Familien nach Haus eingeladen.

Dass die Berliner Mauer nur 2 Monate nach diesem Brückenschlag fallen würde, hat damals keiner von uns geahnt.

Heiner Rötting

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