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„So herrlich muss das Paradies sein!”

Eine Frucht paradiesischen Ursprungs: Der Granatapfel

Wikimedia Abbildung GranatapfelBild: Gemeinfrei; Wikimedia.

Wussten Sie, dass auf dem berühmten blauweißen Meißner „Zwiebel-Muster“-Porzellan gar keine Zwiebeln aufgemalt sind? Auch wenn es überall das „Zwiebelmuster“ genannt wird, stellen diese schönen, rundlichen Formen keine Zwiebeln dar, sondern Granatäpfel. Ich hatte mich immer schon gewundert, wie auf ein so edles Geschirr eine alltägliche Küchenzwiebel kommen konnte. Aber ein Granatapfel als Zeichen des Wohlstandes – das gibt Sinn.

Denn der Granatapfel (punica granatum) galt und gilt im Orient (seine ursprünglichen Heimat ist Persien) aufgrund der vielen Kerne als Symbol des Lebens und der Fruchtbarkeit und repräsentiert den Reichtum eines Landes. So brachten die Kundschafter, die Mose aus der Wüste in das gelobte Land (5. Mose 8,7-8) schickte, auch Granatäpfel als Kostprobe mit (4. Mose 13,24).

War die Frucht vom Baum der Erkenntnis, nach deren Genuss Adam und Eva laut Bibel aus dem Paradies vertrieben wurden, tatsächlich ein Apfel? Eher handelte es sich um einen Granatapfel. Auf alle Fälle hat der Granatapfel mit unseren Äpfeln botanisch nichts zu tun. Er gehört zu den Weiderichgewächsen. Die vielen kleinen Kerne des Granatapfels schmecken säuerlich und sind sehr erfrischend und vitaminreich.

Der Granatapfel gehört zu den ältesten im gesamten Mittelmeerraum kultivierten Pflanzen. Aus der roten Samenschale wird bis heute ein Färbemittel hergestellt, u. a. für Orientteppiche, auf denen der Granatapfel ein beliebtes Motiv schon seit Jahrhunderten ist. Darüber hinaus hat er vielfältige kulturell-religiöse Bedeutungen. Schon im alten Ägypten wurden Granatäpfel als Totenbeigaben verwendet und auch im alten Griechenland galten sie als Symbol von Glück, Reichtum und Fruchtbarkeit. Und im Buddhismus gilt der Granatapfel als eine von drei gesegneten Früchten – gemeinsam mit dem Pfirsich und der Zitrone.

Im Judentum gilt der Granatapfel als ein Symbol der Rechtschaffenheit, da seine (angenommenen) 613 Samenkörner den 613 Geboten der Tora entsprechen. Beim jüdischen Neujahrsfest (Rosh Hashana) werden aufgrund dieser symbolischen Bedeutung traditionell Granatäpfel-Kerne gegessen. Sie stehen für den Vorsatz und Wunsch, im kommenden Jahr vergleichbar viel Gutes zu tun und im Sinne der Tora zu handeln und zu leben. Die Gewänder der Priester und die Säulenkapitäle des jüdischen Tempels waren ebenso mit Granatäpfeln verziert wie manche Stickereien und das Mobiliar (2. Mose 28,33-34). So findet man in Kapernaum auf den Überresten eines Steinreliefs der Synagoge aus der Zeit Jesu zahlreiche Motive aus der Pflanzenwelt Galiläas: Feigen, Weintrauben, Datteln, Palmzweige und Granatäpfel.

Seit der Antike war der Granatapfel als Symbol der Fruchtbarkeit auch ein Symbol für Liebe und eheliche Treue. In der Bildersprache des Hoheliedes wird die Schönheit der Geliebten ausgeschmückt (4,13): „Einer scharlachroten Schnur gleich sind deine Lippen und dein Mund ist lieblich. Gleich einer
Granatapfelscheibe schimmert deine Schläfe hinter deinem Schleier hervor“. Und: „Wir wollen früh zu den Weinbergen gehen und sehen ... ob die Granatbäume blühen. Dort schenke ich dir meine Liebe“ (Hohelied 7,13).

Im christlichen Orient weist der Granatapfel auf reichen Gottessegen und himmlische Liebe hin. Der rote Granatapfelsaft wurde zum Symbol des Märtyrerblutes und die vielen, von einer einzigen Schale umschlossenen Kerne zum Symbol für die Einheit der Kirche in der Vielfalt. Da der Granatapfel in einer harten Schale den süßen Saft schützt, galt er auch als Symbol für den äußerlich strengen, im Inneren aber gütigen Priester.

Auch der Koran kennt den Granatapfel als Symbol für die von Gott geschaffenen guten Dinge. So heißt es in Sure 6:141: „Er ist es, der Gärten wachsen lässt ...und die Dattelpalme und die Getreidefelder, deren Früchte von verschiedener Art sind, und die Olive und den Granatapfel ... Esset von ihren Früchten, wenn sie Frucht tragen, doch gebt Ihm (Allah) die Ehre dafür am Tage der Ernte und überschreitet nicht die Grenzen. Wahrlich, Er liebt die Maßlosen nicht“. In Sure 55:68 ist der Granatapfel einer der besonderen Früchte im Paradies, weshalb er auch Paradiesapfel genannt wird.

In den Überlieferungen des Propheten Muhammad wird der Granatapfel mehrfach erwähnt und gilt als „Anführer der Früchte“. „Esst Granatäpfel“, so wird der Prophet zitiert, „denn kein einziger der Fruchtsamen wird im Magen landen, ohne dass er vierzig Nächte das Herz erleuchtet und den Teufel in die Flucht schlägt“. Und wie die Granatäpfel-Kerne den Magen reinigen würden, so empfahl Muhammad nach einer Überlieferung den Verzehr von Granatäpfeln, um den Körper von Eifersucht und Hass zu reinigen.

Zwischen Granatapfel und Weintraube liegt unser Leben. Eine wichtige Bedeutung kommt dem Granatapfel in Verbindung mit der Weintraube zu, die die zwei wichtigsten paradiesischen Symbole in den Traditionen von Judentum, Christentum und Islam sind. Der Granatapfel ist das Bild für das ursprüngliche Paradies, für den Paradiesgarten, den Garten Eden (also den Gartens, der aus dem Osten kommt). Das altpersische Wort „pairidae`za“ bedeutet „umzäunter Raum“, der geschützte Ort gegenüber der wasserlosen, tödlichen Wüste, eben ein fruchtbares Land, in dem „Milch und Honig“ fließen.

So wurde der Garten zum Symbol für das von „Ahura Masdah“, dem „weisen Herrn“ des Zoroastrismus, geschenkte heile, friedvolle und gerechte Leben. Aus diesem „weisen Herrn“ wurde später im Judentum, nach dem Exil in Babylon/ Persien die so genannte „schöpferische Weisheit“ (Buch der Sprüche, Kap. 8), die als eine Gotteskraft verstanden wurde. Von hier aus ist es nur noch ein kleiner Schritt zum christlichen Verständnis des Heiligen Geistes als Kraft, die das Leben verwandelt und vollendet.

Im zoroastrischen Glauben, der persischen Ursprungsreligion, begründet durch Zarathustra im 7. Jht. v. Chr., steht der Granatapfel als paradiesische Frucht für Erkenntnis. Daher ist es auch wahrscheinlich, dass die Frucht am Baum der Erkenntnis der älteren der beiden Schöpfungserzählungen ein Granatapfel war (1. Mose 2,16-17). Zum Leben unter dem Shalom Gottes braucht es aber nicht nur Erkenntnis, sondern auch ein entsprechendes Bewusstsein. Dafür steht als zweite paradiesische Frucht die Weintraube: Sie ist das Bild für das neue Paradies, den Himmel, die messianische Zeit, im zoroastrischen Glauben für das Bewusstsein.

Zwischen Granatapfel und Weintraube liegt unser Leben. Wir sind als Menschen vom ursprünglichen Paradies auf dem Pilgerweg unseres Lebens unterwegs ins neue Paradies – jüdisch zum Friedensreich, in dem Gerechtigkeit blüht (Jesaja 2,1-5) – christlich in das Friedensreich des Messias Jesus (Johannes 16,33), zu einem Ort ohne Leid, Tod, Geschrei und Schmerz (Offenbarung 21,4) – muslimisch in den fruchtbaren Garten (Sure 47:15), in dem die Nähe und das Wohlgefallen Gottes erfahren werden kann, das der Koran höher bewertet als alle materiellen Genüsse (Sure 3:15; 9:72). Essen wir also GranatäpfelKerne, gar in religionsübergreifender Gastfreundschaft, sind wir schon heute „nahe am Paradies“. Mit dieser Erkenntnis und diesem Bewusstsein können wir mit dem jüdischen Trinkspruch anstoßen: „Le’Chaim – Auf das Leben!“

Dr. Andreas Goetze, Landespfarrer für den
interreligiösen Dialog in der Evangelischen Kirche Berlin-
Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO)

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