Monatsspruch November 2024

Porträt Pfarrerin Sonja AlbrechtPfarrerin Sonja Albrecht

Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt. 2. Petrusbrief 3,13 (L)

Es gibt viele verschiedene Arten, zu warten. Manche nerven – Warteschleifen, verspätete Züge oder Busse. Da schaut man alle zwei Minuten auf die Uhr oder aufs Handy, obwohl die Zeit dadurch natürlich auch nicht schneller vergeht. (Ich bin kein sonderlich geduldiger Mensch). Dann gibt es ein schönes Warten, das Vorfreude mit sich bringt. Auf etwas lang Ersehntes hin zu warten, kann beglückend sein. Im besten Fall bringt es jenes Bauchkribbeln mit sich, das Kinder so gut kennen.

Und dann gibt es ein Warten, das schwer fällt und schmerzt. Etwa, wenn wir am Bett eines sterbenden Menschen sitzen. Oder wenn wir bei jedem Klingeln des Telefons aufschrecken, weil wir einen Anruf aus dem Krankenhaus erwarten. Es ist ein Warten, das uns deutlich unsere eigenen Grenzen und auch unsere Ohnmacht vor Augen führt.

Der November ist der Monat, in dem viele Menschen sich an ihre Verstorbenen erinnern. Viele gehen auf den Friedhof, oder entzünden Kerzen. Am Ewigkeitssonntag, dem letzten Sonntag im November und im Kirchenjahr, geben wir dem besonderen Raum. Wir nennen im Gottesdienst die Namen derjenigen, die wir im vergangenen Jahr in unserer Gemeinde verabschiedet haben. Wir entzünden für jeden eine Kerze. Nach dem Gottesdienst bleiben alle, die es möchten, bei Kaffee und Kuchen noch ein wenig beisammen. Für alle, denen dieser Rahmen zu groß ist, gibt es abends einen stillen Abendgottesdienst, bei dem bei ruhiger Musik jede und jeder für sich der Erinnerung Raum geben kann.

Nicht immer ist das Warten auf den Tod mit Schrecken verbunden. Wenn schwer kranke Menschen sterben oder jene, bei denen das Leben zu mühsam geworden ist, dann gibt es im Prozess des Abschiednehmens, Trauerns und Sterbens manchmal einen Wendepunkt. Dann wird der Tod vom gefürchteten Feind zu einem, der zumindest geduldet ist. Dann räumen wir ihm einen Platz am Tisch mit ein und wissen, mit ihm enden die Schmerzen und Ängste desjenigen, den wir gehen lassen müssen. Und wenn es dann soweit ist: ist da manchmal ein großes Aufatmen und so etwas wie traurige Dankbarkeit – er hat es geschafft. Und für uns, die wir weiterleben, beginnt ein anderes Warten. Eines, das sich kaum in Worte fassen lässt, über das die Wenigsten sprechen. Eines, von dem die meisten von uns selbst nicht so recht wissen, ob sie wirklich daran glauben. Das Warten auf das „Danach“. Das Warten auf einen neuen Himmel und eine neue Erde. Auf ein Wiedersehen.

Ein neuer Himmel, eine neue Erde. So sagt es unser Monatsspruch aus dem 2. Petrusbrief. In der Johannesoffenbarung taucht diese Hoffnung auch auf. Dort heißt es:

„Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. (…) Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu!“

Es ist eine Hoffnung, so groß und abstrakt, dass wir sie nicht wirklich begreifen können. Doch wir können uns ein kleines Stückchen von ihr abbrechen, es in die Jackentasche stecken für die kalten Tage und die Wartezeit. Vielleicht ist es ein bestimmtes Lied, das Ihnen Hoffnung schenkt, oder es ist ein Mensch, auf den Sie sich verlassen können und der auch dann da ist, wenn man einfach nur schweigen will. Oder es sind Worte, die Sie sich ausleihen, aus einem Gedicht oder der Bibel. Alte, starke Worte, denen wir vertrauen, vielleicht auch nur probeweise. Keine Tränen mehr. Kein Schmerz. Ein neuer Himmel, eine neue Erde. Irgendwann, vielleicht, hoffentlich. Bis es soweit ist: warten wir. Wir gehen weiter durch die Novembertage, mit den kleinen Brocken der Hoffnung in den Taschen. Und: wir leben!

Dass der Tod zum Leben dazugehört, das verdrängen wir in unserer Gesellschaft manchmal. In unserer Kirche erinnern wir immer wieder daran. Auch mit unseren Konfirmand*innen sprechen wir jedes Jahr über den Tod und das Sterben. Denn auch Jugendliche haben zahlreiche Berührungspunkte mit dem Tod – und oft wenig Raum, sich darüber auszutauschen. Da Worte bei den ganz großen Themen manchmal schwerfallen, arbeiten wir mit den Jugendlichen oft kreativ. So bemalen wir mit ihnen einen Sarg. In diesem Jahr schon zum dritten Mal. Der Sarg wird uns im Rohzustand von einem Bestattungsunternehmen gespendet. Er geht hinterher an dieses zurück und wird für eine Sozialbestattung verwendet. Liebevoll bemalt und mit einem kleinen Gebet versehen, das wir in den Sarg legen. Wenn ich mit den Jugendlichen vor dem Sarg stehe, dann überlegen wir gemeinsam, was wir auf den Sarg malen. Und einigen uns oft auf „Himmel und Erde“. Der Himmel steht dann für die Hoffnungen und für das, was bleibt. Und die Erde für das, was war: das Schöne, aber auch das Schwere. Manchmal schreiben die Jugendlichen einzelne Worte auf den Sarg, oft malen sie: Blumen, Regenbogen, Sonne und Mond. Mit jedem Pinselstrich legen sie ein wenig Hoffnung auf das helle Holz, bis der Sarg am Ende hell und bunt leuchtet.

Ich wünsche Ihnen, dass Ihre Jackentaschen reich gefüllt sind mit den kleinen Brocken der Hoffnung und dass diese Hoffnung Sie durch die manchmal trüben Novembertage trägt.

Ihre Sonja Albrecht

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