„Säet Gerechtigkeit und erntet nach dem Maße der Liebe! Pflüget ein Neues, solange es Zeit ist, den HERRN zu suchen, bis er kommt und Gerechtigkeit über euch regnen lässt!” (Hosea 10,12)
Der Pfarrer und Kirchenliederdichter Detlev Block hat Ende der 70er Jahre auf die Melodie des bekannten Kirchenliedes „Wie lieblich ist der Maien“ ein neues Lied gedichtet. Es beginnt mit den Worten:
„Das Jahr steht auf der Höhe,
die große Waage ruht.
Nun schenk uns deine Nähe
und mach die Mitte gut.“
Dass die Waage einmal ruht ist ein wunderbares Bild für ein Innehalten, das der Seele gut tut. Die Mitte des Jahres ist ein guter Zeitpunkt dafür. Denn der Sommer ist eine besondere Zeit. Insbesondere von Schulkindern herbeigesehnt, sind es lange Wochen, die anderen Regeln folgen. Viele Menschen fahren in den Urlaub, auch in unserer Gemeinde wird es stiller. Viele Gruppen und Angebote gehen in die Sommerpause. Die Arbeit ruht. Es ist eine Zwischenzeit – Zeit, um zur Ruhe zu kommen, durchzuatmen und vielleicht auch, um das Leben zu genießen. Denn Pausen und Ruhezeiten gehören zum Leben dazu. Das ist gottgewollt! Denken wir nur an den Schabbat, unseren Sonntag, der die Arbeit unterbricht und uns eine Atempause ermöglicht.
Der Rhythmus des Lebens ist nicht linear, sondern von Höhen und Tiefen, von Arbeit und Ruhen geprägt. So wie wir das aus unserem eigenen Garten oder in größerem Maßstab aus der Landwirtschaft kennen. Der Monatsspruch für den Juli erinnert uns mit seiner Rede von Saat und Ernte an diesen stets wiederkehrenden Kreislauf des Lebens. Auch wenn dieser lebensspendende Rhythmus durch Hitzeperioden wie in diesem Jahr ins Ungleichgewicht gerät, so bleibt doch: es kann nicht alles gleichzeitig geschehen. Zwischen Saat und Ernte liegt die Zeit des Wartens. Es braucht das Säen, die Mühe, die Anstrengung, damit später etwas wachsen kann. Aber dann braucht es auch die Zeit der Geduld, des Wartens. Denn manches braucht Zeit, um zu wachsen. Das gilt für die Radieschen im Garten oder das Korn auf den Feldern ebenso wie für die großen Themen des Lebens, von denen der Prophet Hosea spricht: Gerechtigkeit und Liebe. Wir wissen, dass nicht alles gelingt – weder im Garten noch in unserem Leben. Manche Beziehung scheitert, und immer wieder begegnen uns Ungerechtigkeit und Lieblosigkeit. Und auch die Sommerwochen sind für viele von uns alles andere als ein sorgenloses Paradies. Doch die Worte des Hosea wollen uns nicht entmutigen, sondern im Gegenteil: sie wollen uns Mut machen, darauf zu vertrauen, dass auch bei allem, was nicht gelingt, bei jedem Pflänzchen, das vertrocknet, letztlich einer da ist, der „Gerechtigkeit regnen lässt“ über diese Welt. Auch wenn es manchmal nicht danach aussieht.
So können wir die Sommerwochen vielleicht wirklich als das genießen, was sie sind: eine Zwischenzeit, die manchmal anderen Regeln folgt.
Der wunderbare Kabarettist, Schriftsteller und Christ Hanns Dieter Hüsch (1925-2005) hat seine Überzeugung dessen, was der Sommer sein kann, in Worte gefasst, die von großer Leichtigkeit und Lebensfreude geprägt sind und zugleich nicht abgewandt von der Welt und ihrer Realität:
Im Übrigen meine ich, dass Gott, unser Herr,
uns einen grossen Sommer schenke.
Den Familien einen Korb voll Ruhe
und viele hoffnungsvolle Blicke auf grün und blau.
Wiesen und Wasser und weisse Strände.
Leise Monate. Dass er das Geschrei aus der Welt nimmt
und Stille verordnet. Dazu gehört, dass er den Kriegern
das Handwerk aus den Händen nimmt.
Und denen, die ohne Arbeit sind, die Hoffnungslosigkeit.
Und die Mächtigen nicht zu Mafiosi werden lässt.
Alle können wir daran mittun und daran arbeiten,
dass das Leben langsamer verläuft, dass die Welt alle Aufre-
gung verliert. Und die Menschen sich länger ansehen können,
um sich zu sagen: Wir lieben euch!
Gott, unser Herr, möge diese Stille segnen.
Möge diese Stille denen überall in die Ohren blasen,
die unsere Zeit noch schneller machen möchten und damit
noch kürzer, noch atemloser.
Gott, unser Herr, wir bitten dich: Mach es!
Auf dass unser Herz wieder Luft schnappen kann,
unser Auge aufhört zu zappeln und unser Ohr wieder richtig
hört und nicht alles vergisst.
Denen, die uns dies austreiben möchten,
möge Gott, der Herr, einen Blitz ins Gesäss jagen, damit sie
ihr unmenschliches Tun einsehen und die Menschen seines
Wohlgefallens in Ruhe lassen.
Und wir wollen unseren Herrgott abermals bitten, dieses
Ansinnen von uns und überall zu segnen.
Und weil es sein muss sofort und immerdar!
Danke und Amen.
Ich weiß nicht, was diese Sommerwochen für Sie bereithalten. Für mich persönlich ist es ein besonderer Sommer. Manche von Ihnen wissen, dass mein Mann und ich gegen Ende des Sommers unser drittes Kind erwarten. Danach werde ich bis zum kommenden Sommer in Elternzeit gehen. Über die Vertretungsregelungen halten wir Sie auf dem Laufenden.
Ihnen allen, liebe Leserinnen und Leser, wünsche ich einen „großen“ Sommer. Mögen diese Wochen eine Zwischenzeit sein, die – mit den Worten von Hanns Dieter Hüsch gesprochen – einen Korb voll Ruhe mit sich bringt und viele hoffnungsvolle Blicke auf grün und blau. Auf dass unser Herz wieder Luft schnappen kann und unser Auge aufhört zu zappeln. Seien Sie behütet!
Ihre Sonja Albrecht